Chronik einer erfolgreichen Bergung: Nachdem im August ein Raupenkran vom Typ Liebherr LR 1700 nach hinten umgekippt war, erarbeitete Eisele ein ausgefeiltes Bergekonzept. In wochenlanger Kleinarbeit (an Großgeräten) sicherte und barg der Kranvermieter den havarierten 700-Tonner mit umfangreichem Equipment.
Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen ging und geht Eisele im besten Sinne offensiv und proaktiv mit der Situation um – gemäß dem Motto: Fehler passieren, man muss sie sich nur eingestehen.
Auch um künftige Unfälle zu vermeiden und einen Lerneffekt zu erzielen, veröffentlicht der Kranvermieter aus dem Rhein-Main-Gebiet sowohl sein ausgetüfteltes Bergekonzept als auch die Historie seiner geglückten Bergung, und das umfangreich und ausführlich im Netz. Die Firma hat das Ganze auf ihrer Facebook-Seite Eisele AG dokumentiert. Chapeau!
So sah die Situation vor Ort nach dem Unfall aus Ausgangssituation des Unfalls
Baustelle des E-Werk Mittelbaden: Durch starke Windböen war der LR 1700 Ende August auf der Windkraft-Baustelle der Prechtaler Schanze zwischen Gutach und Mühlenbach in der Ortenau nach hinten umgestürzt. Dabei schlug der Gittermastausleger auf den teilweise errichteten Turm einer im Bau befindlichen Windkraftanlage (WKA) auf und knickte in rund 80 Metern Höhe ab. Der Turm selbst misst 76 Meter. Der LR 1700 war zum Unfallzeitpunkt mit einer Systemlänge von 162 Metern aufgebaut.
Hinter dem Turm stürzte der zweite Auslegerteil nach unten und verkeilte sich im Erdreich. Der Derrick legte sich auf die Rückfallstützen, während sich das Grundgerät über den Derrickballast nach hinten hebelte. Die Fahrwerke hoben sich vorn um etwa 4,50 Meter und standen nur noch auf ihren hinteren Enden.
Der havarierte LR 1700 von Knaack Schadensbild des Krans
• Das Grundgerät stand in einer hochgradig instabilen Position.
• Der Ausleger lag auf dem WKA-Turm auf; der A-Bock war in den V-Frame gedrückt, welcher sich wiederum auf der Ballastpalette abstützte.
• Nackenstangen und Seile hingen verformt oder gerissen vom Turm herab.
Die Baustelle war stark eingeengt – bereits angelieferte WKA-Komponenten erschwerten die Bewegungsfreiheit erheblich. Gleichzeitig durfte der hintere Baustellenbereich nur im Ausnahmefall und mit Sicherheitsposten betreten werden. Das erforderliche Berge-Equipment musste daher vollständig im vorderen Baustellenbereich positioniert werden. Die Hanglage erschwerte die Arbeiten zusätzlich und schloss jegliche Bergemaßnahmen im rückwärtigen Gelände aus.
Der Derrick-Ausleger wurde lediglich von den Rückfallstützen gehalten und zusätzlich durch die Einziehflaschung belastet
Der zweite Auslegerteil war über dem Turm abgeknickt und in den Boden gerammt; die Hilfsspitze war gebrochen und stark deformiert
Die Knickstelle des Auslegers am oberen Turmende
Die Firma Eisele wurde für diesen außergewöhnlich komplexen Kranunfall mit der Planung, Durchführung und Gesamtleitung der Bergungsarbeiten der havarierten Liebherr-Raupe LR 1700 beauftragt. Die Situation vor Ort stellte höchste technische und organisatorische Anforderungen, so das Unternehmen.
Der Bergeplan und die Gerätschaften hierfür Bergeplanung und eingesetzte Technik
Für die hochpräzise und eng abgestimmte Bergung kamen fünf Geräte zum Einsatz, und zwar vier Mobilkrane und ein Jackup-System:
• LTM 11200 mit Y-Abspannung und Wippspitze als Hauptbergekran
• GMK 6300L-1 mit 29 Meter wippbarer Spitze – Höhenzugang mit Personenkorb
• LTM 1200 zur Sicherung des Derrick-Auslegers
• LTR 1220 für Tandemhub und zum Ablegen der Auslegerteile; außerdem Montagekran für den LTM 11200
• Enerpac Jack-Up-System JS 250 inklusive Trägerbalken und Verschubbahn zur Sicherung und zum Absetzen des Grundgeräts
Baustellenplan und Gerätepositionierung
Die Gesamtsituation der Bergung aus der Vogelperspektive
Sicherung des Grundgeräts
Ablauf der Bergungsarbeiten, erster Schritt
Sicherung des Grundgeräts: Zunächst wurde das Jackup-System auf einer Verschubbahn aufgebaut und mit einem Querträger ergänzt. Damit konnten die vorderen Enden der Fahrwerke gegen weiteres Zurückfallen gesichert werden. Beim späteren kontrollierten Absenken auf den Boden wurde die notwendige kreisförmige Absetzkurve durch Verschieben auf der Bahn präzise mitgeführt.
Die Fahrwerke sind gesichert
Der Ballastrahmen wurde mit Schwerlastplatten unterbaut, um ein weiteres Kippen des Krans zu verhindern. Kettenzüge fixierten den Oberwagen gegen Verdrehung; die noch aufgelegten Gegengewichtsplatten wurden ebenfalls durch Kettenspanner gesichert.
Sicherung des abgeknickten oberen Auslegerteils Ablauf der Bergungsarbeiten, zweiter Schritt
Sicherung des abgeknickten oberen Auslegerteils: Bevor der vordere Ausleger demontiert werden konnte, musste das hinter dem Turm herabhängende Auslegerstück gegen Absturz gesichert werden. Vom Personenkorb des GMK 6300 aus wurden Sicherungsbleche am Turm angebracht, über die das Auslegerteil mit Ketten am Turmkopf fixiert wurde. Erst nach Abschluss dieser Maßnahmen konnte der LTM 11200 aufgebaut und in Stellung gebracht werden.
Nachdem alle Sicherungsmaßnahmen abgeschlossen waren, konnte mit dem Aufbau des Bergekrans, einem LTM 11200, begonnen werden
Der Bergekran LTM 11200 mit 1.200 Tonnen Tragkraft ist einsatzbereit Ablauf der Bergungsarbeiten, dritter Schritt
Schritt 3 der Bergungsarbeiten
Demontage des vorderen Auslegerteils: Nach dem Anschlagen am Hauptbergekran wurde das vordere Auslegerstück teilweise in Last genommen, am Knickpunkt abgetrennt und anschließend senkrecht aufgerichtet. Bei voller Lastaufnahme von 78 Tonnen wurde das Teil am Fußstück ausgebolzt und freigehoben.
Das vordere Auslegerteil wird abgetrennt
Das Auslegerteil hängt mit seinem vollen Gewicht von 78 Tonnen im Haken und wird am Füßstück ausgebolzt. Im Anschluss schwenkt der LTM 11200 um 180 Grad und der Ausleger wird im Zweikranbetrieb auf dem Boden abgelegt, wo er später demontiert werden kann.
Der vordere Ausleger wird ausgehoben
Da der Platz extrem begrenzt war, unterstützte der Geländekran LTR 1220 im Tandemhub, indem er beim Ablegen des Auslegerteils rückwärts ausfuhr. Das Auslegerstück konnte so sicher am Boden abgelegt und später demontiert werden.
Der vordere Ausleger liegt am Boden
Ablauf der Bergungsarbeiten, vierter Schritt
Demontage des Derrick-Auslegers
Der Derrick-Ausleger wurde zunächst vom Großkran LTM 1200 gesichert, anschließend über den Personenkorb des GMK 6300 angeschlagen und – wie zuvor der vordere Ausleger –aufgerichtet, ausgebolzt und im Zweikranbetrieb mit dem LTR 1220 abgelegt.
Der Derrick-Ausleger wird in eine senkrechte Position aufgerichtet, um ihn ausbolzen zu können
Nachdem der Derrick aufgerichtet und vollständig in Last genommen würde, kann er am Fußstück hydraulisch ausgebolzt werden
Im Tandemhub mit dem LTR1220 wird der Derrick-Ausleger zur Demontage abgelegt
Absetzen des Grundgeräts Ablauf der Bergungsarbeiten, fünfter Schritt
Nachdem beide Ausleger entfernt waren, konnte das Grundgerät über das JS-250 Jackup-System von Enerpac langsam auf den Boden abgesenkt werden. Berechnungen hatten ergeben, dass sich der LR 1700 trotz 190 Tonnen Gegengewicht schließlich auf die Fahrwerke absetzen würde.
Nach dem erfolgreichen Absetzen wurde das Jackup-System zurückgebaut und mit der Demontage des V-Frame und der Ballastplatten begonnen. Insgesamt wurden satte 615 Tonnen Ballast abtransportiert
Weg mit dem Ballast: Der LR1700 ist mit insgesamt 615 Tonnen Ballast ausgestattet, welcher verladen und abtransportiert wird
Demontage V-Frame
Das Grundgerät des LR1700 ist fahrbereit und kann aus dem hinteren Teil der Baustelle gefahren werden
Ablauf der Bergungsarbeiten, sechster Schritt
Freifahren des Grundgeräts und letzter Hub
Das nun fahrbereite Grundgerät wurde aus dem hinteren Baustellenbereich herausgefahren. Anschließend wurde der LTM 11200 umgesetzt und auf 21 Meter vor den Turm gefahren, um das letzte hinter dem Turm liegende Auslegerstück zu bergen.
Die besondere Herausforderung: LTM 11200 und GMK 6300 mussten nahezu denselben Punkt anfahren – in einem extrem engen „Schlauch“ hinter dem Turm
Dieses Manöver war zuvor mit einer 3D-CAD-Simulation minutiös geplant worden und konnte vor Ort exakt so umgesetzt werden.
Das hintere Auslegerteil wurde von dem in der Turmspitze verkeilten Auslegerteil abgetrennt und kann nun ausgehoben werden
Das verkeilte Auslegerstück wurde am Turmkopf abgetrennt und in einem letzten Hub ausgehoben
Ablauf der Bergungsarbeiten, siebter Schritt
Abschlussarbeiten: Die deformierten Gitterelemente und Nackenstangen wurden mithilfe von Spezialgerät aus dem Hang geborgen und zum Lagerplatz transportiert
Auf dem Lagerplatz wird das kaputte Material zerkleinert und entsorgt
Fazit der Firma Eisele: Die Bergung der verunfallten LR 1700 unter extrem beengten, topografisch schwierigen und sicherheitskritischen Bedingungen gelang dank präziser Planung, sauberer Abstimmung aller Gewerke und dem professionellen Einsatz modernster Hebe- und Sicherungstechnik vollständig und ohne weitere Schäden.
Und: Das Ganze wurde in vorbildlicher Offenheit dokumentiert und mit der Öffentlichkeit geteilt. Der Respekt geht an alle Beteiligten aus der Hüffermann-Gruppe, zu der die Firmen Knaack und Eisele gehören.
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