Heikler Job mit hydraulischem Abbruchroboter: Früher oder später neigt sich das Zeitalter der fossilen Energiegewinnung seinem Ende zu. In Amsterdam beispielsweise wurde bereits im Jahr 2020 ein Kohlekraftwerk stillgelegt und schon kurz darauf mit dem Rückbau begonnen.
Zuletzt stand unter anderem noch der 175 Meter hohe Schornstein, dem jetzt ein Tadano CC 38.650-1 mit einem Abrissroboter am Haken auf die Pelle rückte. Beauftragt mit diesem Job wurde der Krandienstleister Sarens. Dieser kennt sich ein Stück weit aus mit solchen Einsätzen. „Wir hatten bereits im Juli 2020 ein ähnliches Abbruchprojekt im holländischen Borsele mit einem Tadano PC 3800-1 abgewickelt. Deshalb war uns das Prozedere solch eines Rückbaus bekannt – ebenso wie die Herausforderungen und Risiken, die damit verbunden sind“, berichtet Projektmanager Anton Mertens.
Als Einsatzkran kam ein Tadano CC 38.650-1 zum Zug. Dessen Aufgabe war es, zwei Abrisswerkzeuge – ein Antriebsaggregat sowie ein Schneid- oder Brechwerkzeug – auf bis zu 175 Meter zu heben und den Schornstein damit Stück für Stück von der Spitze bis zum Boden zurückzubauen. Während des Prozesses mussten die Abbruchwerkzeuge immer wieder getauscht werden.
Da die geforderte Konfiguration mit einer Systemlänge von 196 Metern inklusive Wippspitze und einer Tragfähigkeit von 25 Tonnen bei 55 Meter Ausladung standardmäßig nicht in den Traglasttabellen des CC 38.650-1 enthalten ist, schlug der japanische Kranbauer auf Anfrage von Sarens vor, die Traglasttabellen für SWSL_3 um eine zusätzliche Hauptauslegerlänge von 108 Metern in Kombination mit der bereits vorhandenen Auslegerlänge von 90 Metern zu erweitern.
„Erste Untersuchungen zeigten schnell, dass wir mit unserem CC 38.650-1 die geforderten Tragfähigkeiten problemlos erreichen würden. Nachdem wir grünes Licht von Sarens für eine entsprechende Nachrüstung ihres CC 38.650-1 erhalten hatten, stellten wir die Traglasttabellen fertig und aktualisierten die LMI-Lastmomentanzeige des Sarens-Krans“, erklärt Christian Eickstädt, Manager AC & CC Retrofit bei Tadano.
„Diese Unterstützung seitens des Herstellers war für uns entscheidend, da die geforderte Krankonfiguration zuvor ja noch nie gebaut worden war. Das war schon eine beeindruckende Serviceleistung, zumal alles unter großem Zeitdruck stattfinden musste“, betont Sarens Lifting Supervisor Jerry Couvreur.
Für den Einsatz konnte der 650-Tonnen-Raupenkran dann in besagter Konfiguration SWSL_3 mit 108-Meter-Hauptausleger inklusive 84-Meter-Boom-Booster sowie 90-Meter-Wippspitze gerüstet werden. Das Gegengewicht teilte sich auf in 225 Tonnen am Oberwagen, 50 Tonnen Zentralballast und 245 Tonnen SL-Ballast.
Bei den Hakenflaschen SWL 54 Tonnen fuhr das Sarens-Team zweigleisig: einmal mit drei Seilen und einmal mit einem Seil. „Diese beiden Haken mit ihren jeweiligen Einscherungen haben wir wegen ihrer hohen Hubgeschwindigkeit ausgewählt, um die Ausfallzeiten beim Tausch der Abbruchwerkzeuge möglichst gering zu halten“, erläutert Anton Mertens.
Vier Tage und mehr als 50 LKW-Transporte benötigte der belgische Krandienstleister, um den Großkran zur Baustelle zu transportieren. Den Aufbau selbst bewältigten drei Monteure innerhalb von fünf Tagen. Nach Abschluss der Montage fand eine gründliche Inspektion statt, und es wurden verschiedene Kameras an der Auslegerspitze und ein Bildschirm in der Kabine installiert, um den Kranfahrern aus allen Perspektiven eine optimale Sicht während der Abrissarbeiten zu ermöglichen. Dies dauert nochmals zwei Tage.
Herausfordernde Hubarbeiten
Die größte Gefahr bestand darin, dass Bruchstücke aus großer Höhe während des Abrisses herabfallen könnten. Deshalb wurde vor dem Kran eine doppelte Containerreihe aufgebaut, quasi als Schutzwall für den Raupenkran. Darüber hinaus wurde die Krankabine mit einer transparenten Abdeckung gesichert.
„Außerdem haben wir die Kranposition so gewählt, dass der Wind laut einer Windstudie am wahrscheinlichsten von hinten kam, um so die Gefahr für unsere Kranfahrer durch herabfallende Trümmer zu minimieren“, erklärt Anton Mertens. Kam der Wind von der falschen Seite und/oder war er zu stark, so wurden die Abbrucharbeiten unterbrochen.
Mindestens fünf Meter pro Tag sollten vom Schornstein abgebrochen werden, so das Ziel. 175 : 5 = 35. Das Team setzte eine Einsatzzeit von zehn Wochen an, wobei der Großkran 12 Wochen lang auf der Baustelle verweilen sollte.
Der Hub selbst erfolgte hauptsächlich kreisförmig um den Schornsteinrand. Dabei arbeiteten immer ein Kranfahrer und ein Lifting Supervisor zusammen. 16-Stunden-Tage im Zwei-Schicht-Betrieb waren angesagt. Letztendlich konnten die Abrissarbeiten wie geplant im vorgesehenen Zeitfenster abgeschlossen werden. Der zuvor weithin sichtbare Schornstein des Kohlekraftwerks Hemweg 8 ist damit endgültig Geschichte.
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